Wenn die Turnhalle zum Tatort wird - Das Überall-Theater in Gedern zu Gast
Morgens, kurz vor Schulbeginn des 20.3.2024, trabte eine müde Gruppe von Schülerinnen und Schülern zur Turnhalle. Dort wurde ein Theaterstück aufgeführt. Der Name „Die Physiker“ (Dürrenmatt) hörte sich sehr nach Unterricht an. Also eigentlich nichts, was sich sonderlich vom regulären Alltag unterschied.
Aber dann: Ein Absperrband mit Polizeiaufschrift sollte ein Hereintreten in die Turnhalle verhindern. Nachdem die Jugendlichen eine Weile irritiert vor dem Eingangsbereich gestanden hatten, entschieden sich die meisten, die Regel zu brechen und trotz des Bandes in die Halle zu kriechen. Zu diesem Regelbruch wurden die noch Zögerlichen von Ines Zajonc, die am Eingang stand und für die Organisation der Veranstaltung zuständig war, ermuntert.
Im Inneren der Halle wurden sie von dem gelangweilten Inspektor Voß (gespielt von Jakob Fecht) in Empfang genommen, der die Schülerinnen und Schüler nach dem Mord an einer Krankenschwester befragte. Einige verneinten, andere schienen etwas gesehen zu haben.
Während dieser Zeit erklang eine Geigenmelodie. Bei kurzem Zuhören ein akzeptables Klangerlebnis, je länger das Spiel jedoch hörbar war, desto deutlicher wurde, dass nicht alle Töne getroffen wurden. Man hätte gerne die Lautstärke reduziert.
Und unbemerkt war man Teil des Theaterstücks, mittendrin in der Inszenierung, die so anders als das Gewohnte war.
Das Geigenspiel endete und ein Mann (Valentin Haiden) stellte den Inhalt vor, mit Pathos und überdeutlicher Sprachakzentuierung. Auch das anders als gewohnt. Es wurde ganz still, damit man ihn verstehen konnte. Es war nicht verwunderlich, als man erfuhr, dass man in das Zimmer eines Sanatoriums blickte, das eher eine Irrenanstalt war.
Ein lispelndes Fräulein Dr. von Zahnd stellte sich den Fragen von Inspektor Voß, wobei sie keinen Hehl daraus machte, dass sie nicht viel von ihm hielt. Der Zuschauer erfuhr von anderen Unglücksfällen mit tödlichem Ausgang. Auch wurde erwähnt, dass in der Anstalt drei Männer wohnen würden, die sich alle für große Physiker (Möbius -Valentin Haiden, Newton
- Paul Gräntzel, Einstein -Jakob Fecht) hielten.
Am Wahnsinn der drei Insassen konnte nicht gezweifelt werden. So warf z.B. Möbius (Haiden) Knicklichter in das begeisterte Publikum, schlängelte sich durch die Reihen, eine Konfetti- Kanone kam zum Einsatz, Papierschlangen regneten auf die Zuschauer.
Und auch die Liebe fand ihren Platz. Schwester Monika (Daniela Mitterlehner) gestand Möbius ihre starke Zuneigung, die dieser zu erwidern schien. Als sie Möbius jedoch sagte, sie wisse, dass er den Irrsinn nur spiele und mit ihm außerhalb des Sanatoriums leben wolle, erwürgte er sie kurzerhand. Dass die Ermordete aufstand und hinter den Vorhang ging, erleichterte die erschreckten Gemüter.
Im weiteren Verlauf wurde deutlich, dass sich auch die beiden anderen Insassen ihrer in sie verliebten Pflegerinnen entledigen mussten, weil diese an ihrem Wahnsinn zweifelten.
Und dann kam es zu einem Höhepunkt des Theaterstücks: Einstein und Newton, Physiker, aber im Dienst gegensätzlicher Geheimdienste, saßen auf einer Wippe- frei balancierend- die Wippe 2 m über dem Boden. Ein Ausschlag in eine der beiden Richtungen hätte den Fall beider bewirkt.
In der Mitte Möbius und die Frage, ob man Menschen Wissen zugänglich machen darf, wenn man weiß, dass dieses nicht nur für, sondern auch gegen die Menschheit gerichtet sein kann.
Während die drei Herren über ihre Optionen nachdachten, wie ihr Leben verlaufen kann, ohne anderen Menschen Schaden zuzufügen, kam Fräulein Zahnd (Daniela Mitterlehner) in Häschenhausschuhen hinzu. Scheinbar unscheinbar . Doch weit gefehlt: Sie ist, obwohl eigentlich Nervenärztin, die, die wirklich wahnsinnig ist und die Weltherrschaft anstrebt.
Ob sie es erreichen kann, ist offen. Licht an. Das Sanatorium wurde wieder zur Turnhalle.
Wenn Jungen einer 7. Realschulklasse ungefragt sagen, dass es toll war, wenn Jugendliche nach Hause gehen und von sich aus erzählen, dass das eine richtig gute Erfahrung war, wenn im Lehrerzimmer von einer beeindruckenden Aufführung berichten wird, dann kann man nur sagen: danke an den Förderverein der Gesamtschule Gedern, der die Finanzierung übernommen hat und danke für diese tolle Aufführung und das beeindruckende Spiel!
Und wenn dann irgendwann Dürrenmatts alte Dame zu Besuch kommen möchte: Gerne! Sie ist herzlich willkommen! Wir freuen uns auf sie.
Autor: Ines Zajonc, Fotos: Ines Zajonc, Stephanie Schnarr
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